26.07.2020

Liebe zwischen zwei Welten: Glaubensätze, Herausforderungen und Hoffnung

Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich jemals einen Artikel zu diesem Thema schreiben werde. Wenn ihr meinen Blog schon länger verfolgt, kennt ihr vielleicht meine Beiträge über meine damalige Fernbeziehung (und gleichzeitig mein erster Beitrag über die Liebe bzw. Liebesbeziehung) und über 8 Erkenntnisse die ich in 8 Jahren Beziehung gemacht habe. Danach habe ich nicht mehr über die Liebe geschrieben, denn ich hatte nichts mehr darüber zu sagen. Tja, falsch gedacht Jasmin! Letztes Jahr im Mai trennte ich mich nach 10 Jahren von meinem Partner. Davon berichtete ich nur kurz und schmerzlos in meinem Thailand Reisebericht von 2019. Auf Instagram schrieb ich dazu etwas mehr, denn bekanntlich hilft es mir immer sehr meine Gefühle in Worte zu fassen und mit der Welt zu teilen. Die Reaktionen darauf haben mich wirklich sehr berührt. Aber was hat das ganze mit dem heutigen Beitrag und vorallem dem Titel zu tun? Tja, Auslöser für die Trennung war vor allem eines: ich hatte mich in einen Inder verliebt.

Prägung durch meine Eltern

Doch von vorne: Ich bin als Scheidungskind einer multikulturellen Familie aufgewachsen. Mein Papa hat polnische und deutsche Wurzeln, meine Mutter thailändische. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich 10 Jahre alt war und daraus resultiere meine Glaubensätze: die Ehe ist scheisse, ich werde niemals heiraten, Liebe zwischen zwei Nationen und Kulturen ist nicht möglich. Aus den einfachen Grund: ich hatte keinen positiven Vorbilder - dafür jedoch genug Trash-TV in denen diese Vorurteile bestärkt wurden. Ich erinnere mich an Sendungen, in denen meist ausländischen Frauen gezeigt wurden, die nur mit einem deutschen eine Beziehung führten weil sie nach Deutschland wollten und nicht weil sie den Mann liebten. Oder von ausländischen Männern, die mit einer Deutschen zusammen waren, ein Kind zusammen hatten und dieses Kind dann ins Ausland entführten. Zusammengefasst kann man also sagen: In meiner Erinnerung wurden Ausländer*innen immer negativ dargestellt. Das hat mich natürlich - als Kind, Jugendliche und noch nicht sehr weltgewandte Frau - geprägt! Mehr als ich dachte und zugeben wollte.

Daraus resultieren dann auch meine damaligen Glaubensätze:
"Ich brauche einen weißen deutschen Freund = deutscher Freund = guter Freund = Sicherheit"
"Ich brauche jemanden der die gleiche Sprache wie ich spricht, der mich versteht"
"Ich brauche jemanden der aus der gleichen Kultur kommt, alles andere ist zum scheitern verurteilt"
"Ich stehe nicht auf asiatische Männer, auch wenn ich Freunde aus Kambodscha oder anderen asiatischen Länder habe, ich könnte mich nie in einen verlieben"

Heute frage ich mich: War ich rassistisch? Wurde ich rassistisch geprägt?
Gerade auch durch die aktuelle #blacklivesmatter Bewegung hinterfrage ich mein eigenes rassistisches Denken und Handeln verstärkt. Denn: Rassismus ist erlernt und wird geprägt, man wird nicht automatisch anti-rassistisch geboren. Auch wenn man einen multikulturellen Hintergrund, so wie ich, hat oder schwarz ist wie zum Beispiel Kanye West oder Xavier Naidoo, um nur zwei Beispiele zu nennen. Sich dies einzugestehen, ist schwierig und kann schockierend sein.

Ich bin mir sicher das ich rassistisch geprägt wurde. Denn obwohl ich immer auch Freunde aus anderen Kulturen und Ländern hatte - habe ich einmal in meinem Leben das N-Wort gesagt. Daraufhin hat mein Klassenkamerad, Freund und Nachbar, es seiner Mama erzählt - diese hat daraufhin mit mir, damals war ich 6 Jahre alt, so sehr geschimpft, dass ich das N-Wort nie wieder gesagt habe! Er später wurde mir klar woher ich das Wort überhaupt kannte: weil es einige meiner Familienmitglieder benutzen! Seit dem reagiere ich allergisch auf dieses Wort und bin zum Hippie mutiert, die an die Gleichheit aller Menschen glaubt, das wir alle verbunden sind und zu allen nett ist, egal welche Hautfarbe, Herkunft, Religion, Sexualität, etc. hat! Außerdem hat es mich so sehr geprägt, dass ich mich mehr über die Herkunft des Wortes, den Kolonalismus und all die Themen die damit verbunden sind, informiert habe. Doch trotzdem habe ich mich auch machmal im "Happyland" befunden, wie es die Autorin Tupoka Ogette in ihrem Buch "Exit Racism" nennt (ich wünsche mir das dieses Buch Pflichtlektüre in Schulen wird!). Obwohl ich selbst Rassismus Erfahrungen gemacht habe und dachte ich weiß doch schon so viel. Meiner Meinung nach, ist es eben ein lebenslanger Prozess, diese Prägungen zu entlernen. Mein Papa hat zu mir übrigens nie gesagt: "die Beziehung zu deiner Mutter scheiterte weil sie aus einer anderen Land/Kultur kam".

Verliebt in einen Inder

Als ich mich letztes Jahr in einen Ausländer - einen nicht-deutschen, einen Inder verliebte, war mir das erstmal egal. Denn ich stempelte ihn gleich als Urlaubs-Romanze ab. "Das ist eh nichts ernstes" dachte ich. "Das Gefühl geht wieder vorbei, ich bin doch bereits in einer Beziehung, ich kann mich nicht in einen anderen verlieben und erst recht nicht in einen Ausländer". Doch es ist so viel mehr als das. Durch ihn hinterfragte ich mein ganzes bisheriges Liebesleben. Meine Werte. Die alten und die neuen. Ich zerbrach, machte Erkenntnisse und musste etwas ändern, denn ich war in meiner alten Beziehung nicht mehr glücklich. Ich versuchte zwar es zu reparieren, da es mir schwer fiel loszulassen, doch es sah dann ein, dass es aussichtslos war. Eine schmerzhafte Erkenntnis. Doch gleichzeitig war sie auch befreiend. Ein Jahr später - in dem ich arbeitslos war, mich getrennt, ein Business als Hundesitter begonnen hatte, jedoch auch wieder einen Anstellung bekam, umgezogen bin und viel an mir selbst und meinen Glaubensätzen gearbeitet habe sind wir nun endlich ein Paar - der Inder names Susmith und ich (Stand Juli 2020).

Wir hatten den Kontakt zwar nie ganz verloren aber es gab einige Up und Downs, Zweifel, Dinge die wir beide verarbeiten mussten - doch ich bin fest davon überzeugt, dass wir dies erleben mussten um wieder zueinander zu finden. Dank der Covid-19-Pandemie und trotz meiner alten Glaubensätze und Ängste, denn ich konnte diese auflösen. Denn ich stellte mir immer wieder die eine Frage: Was ist mir wichtig? Wirkich wirklich wichtig? Ohne was will ich nicht leben? Wenn mich eines Indien gelernt hat dann das: Liebe. Wichtig ist mir die Liebe zu ihm, Indien und meiner asiatischen Seite. Mit der Akzeptanz meiner asiatischen/thailändischen Seite in mir, bei dem mir das Schreiben meines Buches auf therapeuthische Art geholfen hat, habe ich angefangen, meine alten Glaubensätze aus der Kindheit/Jugend zu brechen. Diese Erkenntis war für mich Gold wert! Denn es lag daran, dass ich meine asiatische Seite nicht anerkannt habe und all das negative das ich damit verbunden habe. Doch ob etwas positiv oder negativ ist, liegt immer im Auge des Betrachters. Ich jedenfalls, bin nun bereit für die Liebe zwischen zwei Welten.

Und damit bin ich nicht die einzige (you are never alone - don't forget that!). Deswegen habe ich zwei meiner Freunde interviewt, die ebenfalls einen Partner aus einer anderen Nation/Kultur haben und möchte mit euch ihre Erfahrungen und Tipps teilen. Tausend Dank Dany und Lisa fürs teilen eurer Geschichte. Ich wünsche euch nur das Beste <3

Dany (Deutschland) und Zac (Amerika)

Dany hat ihren Freund Zac 2015 in Amerika kennengelernt, als sie das erste Mal für 3 Monate dort auf Reisen war. Seit dem ist Dany jedes Jahr für mehrere Monate in Amerika. Die spezielle Verbindung zu Zac war immer da, sodass sie ihn 2019 zusammen mit einem anderen Freund einen Überraschungsbesuch abgestattet hat! Nun sind die beiden ein Paar und möchten gerne heiraten, damit sie dauerhaft zusammen sein können, ohne nervige Visa-Prozedur. 

Im Gegensatz zu mir, hatte Dany nie Zweifel daran ob die Beziehung klappen könnte oder andere Voruteile, da sie bereits eine Fernbeziehung mit einem anderen Amerikaner geführt hatte. Durch ihre ersten Fernbeziehungs-Erfahrungen und generell der Verbundenheit zu USA und deren Kultur, war es für Dany einfach die Beziehung einzugehen. Trotzdem gibt es manchmal Schwierigkeiten, zum Beispiel bei der sprachliche Kommunikation. Im Bezug auf tief emotionalen- oder wissenschaftliche Themen (Studien, etc.) oder auch gewisse deutsche Redewendungen. Die Frage "Wie kann ich mich bestmöglich ausdrücken" ist also immer vorhanden.

Die bisher größte Herausforderung in ihrer Beziehung war die immer noch anhaltende Corona/Covid-19 Pandemie! Spoiler: mittlerweile sind sie nach 4 Monaten wieder vereint. Doch während dieser 4 Monate war es vorallem schwer zu akzeptieren, dass ihnen die Kontrolle genommen wurde. Sie mussten beide immer wieder lernen zu vertrauen, los zulassen und das Beste aus dem Hier und Jetzt zu machen. Dabei geholfen hat - Hallelujah - das Internet! Durch Video-Chats, Sprachnachrichten und WhatsApp Calls haben sie Kontakt gehalten und sich gegenseitig am Alltag teilhaben lassen. Ehrliche Kommunikation, Authenzität und das zeigen von Emotionen hat die beiden trotz Entfernung weiter zusammen wachsen lassen. Dany hat vor allem gelernt, zuzuhören, den Raum zu halten und Fragen wie "Was brauchst du gerade? Wie kann ich dich unterstützten?" gestellt. Außerdem wurden die beiden kreativ: Dany hat Zac zum Beispiel Briefe geschrieben und Zac hat Dany Gute-Nachtgeschichten vorgelesen.

Natürlich war und ist es nicht immer leicht zwischen den zwei Welten zu leben, vorallem wenn beide durch die Arbeit viel beschäftigt sind und die Zeitverschiebung eine Rolle spielt. Doch durch die Affirmation "Ich kann das schaffen", das praktizieren von Dankbarkeit, Priotäten setzten, Visualisierung und Erdung konnte Dany ins Vertrauen gehen. "Es kommt alles wie es kommen soll und alles was ich durchgemacht habe, hat mich zu Zac geführt", sagt sie in ihrer Sprachnachricht und ich kann ihr Lächeln und das Glück nahezu anfassen. Als abschließenden Tipp für alle die gerade in einer ähnlichen Situaton sind, rät sie: Offen sein für das Licht, viel mit sich Selbst arbeiten, die Zeit Alleine nutzen und im Moment leben. Man sollte darauf vertrauen, dass sich alles zum Guten wendet, Dankbar sein und die Herausforderung als Chance zum Wachstum nutzen, sowohl alleine als auch als Paar.

Lisa (Deutschland) und Niyaz (Indien)

Im November 2018 kommt Lisa im Zostel in Kochin, Kerala an und weiß nicht, wohin sie als nächstes Reisen soll. Durch einen Mitarbeiter des Hostels lernt sie Niyaz kennen und ihre Geschichte beginnt. Zusammen unternehmen sie einen Roadtrip in die Berge Keralas und verlieben sich dabei. Was sich für mich wie der Beginn eines Liebesfilms anhört, ist die Kennenlerngeschichte von Lisa und Niyaz, denn seit dem sind die beiden ein Paar.

Lisa fand die Beziehung von Anfang an spannend, hatte jedoch auch Zweifel und Ängste aufgrund der verschiedenen Kulturen und vor allem der Familie. Die Sprache war dagegen kein Problem, denn Lisa sieht es als Chance ihr Englisch zu verbessern. Da Niyaz mehrere Jahre in England gelebt hat, spricht er perfektes Englisch. Trotzdem ist sie jedoch kein Fan von Fernbeziehungen.

Die größte Herausforderung ist jedoch nicht die Entfernung, sondern die Unterschiede zwischen der deutschen und indischen Kultur. Für Lisa war es wie ein Spiegel: sie fand heraus, dass es doch größere Unterschiede gibt, als sie am Anfang dachte. Auch lernte sie welche "typisch deutschen Glaubensätze" in ihr schlummern und hinterfragte diese. In Indien funktioneren Beziehungen zudem anders, als sie es gewohnt war. Es ist eher ein "für immer" als "mal schauen was passiert". Man kann sich nicht so einfach trennen. Da die beiden auch zusammen arbeiten, stellte sie fest, dass die Inder gelassener und mehr im Flow sind als sie - die "typisch Deutsche", die schnell gestresst ist wenn etwas nicht sofort erledigt wird oder werden kann. Gleichzeitig sah sie es aber auch als Lernprozess.

Ihre Freunde und Familie haben auf die Liebe der beiden gemischt reagiert. Eine Freundin von Lisa meinte, es sei nur eine Urlaubsromanze und sie sollte erstmal abwarten. Ihre Mama dagegen hatte Angst, Lisa könnte für immer Auswandern. Seit dem Niyaz jedoch zu Besuch in Deutschland war und sie sich kennenlernen konnten, ist sie glücklich darüber das Lisa ihr Glück gefunden hat. Seine Familie ist dagegen leider nicht so entspannt und ist das ist auch immer der größte Streitpunkt in der Beziehung.

Über ihre gemeinsame Zukunft, vor allem auch während der Covid-19-Pandemie, möchte sie sich nicht zu viele Gedanken machen und alles auf sich zukommen lassen. Dennoch ist sie positiv gestimmt und ist der Überzeugung "It's meant to be". Die beiden möchten, wenn es wieder möglich ist, viel Reisen und ortunabhängig arbeiten und leben.

Als ich sie ebenfalls nach Tipps für Paare in einer ähnlichen Situation frage, sagt sie: "Ich würde raten, sich viel Zeit zu lassen/zu geben einander kennenzulernen und sich wirklich mit der Kultur und dem Land auseinandersetzen." Außerdem weist sie darauf hin, dass es natürlich auch negative Seiten gibt, doch für sie überwiegen die positiven. Noch nie hat Lisa so viel über sich selbst, die Liebe und das Leben gelernt wie während der letzten 2 Jahren.

***
Ich hoffe euch liebe Leser*innen hat dieser Beitrag gefallen und ich konnte euch inspirieren der Liebe - egal aus welcher Welt - eine Chance zu geben! Denn es ist wirklich egal, woher man kommt oder welche Sprache man spricht, welcher Religion man angehört oder der LGBT-Community angehört, etc. die universelle Sprache, davon bin ich fest überzeugt, wird immer LIEBE sein und diese kennt keine Grenzen - spread Love!

Mein persönliches Fazit aus den Gesprächen und meiner Erfahrung ist: COURAGE OVER COMFORT - wie Brene Brown so schön zu sagen pflegt. Hört auf euer Herz und wenn es "Ja" schreit, dann wagt es und go on the wild ride! Was habt ihr zu verlieren? 

Seid ihr auch in einer Beziehung zwischen zwei Welten? Oder wart es einmal?

Teilt eure Erfahrungen und Gedanken gerne in den Kommentaren mit mir. 
Ich freue mich von euch zu lesen!

2 Kommentare:

  1. ein ganz toller und tiefgründiger Beitrag, der sehr zum Nachdenken anregt. Ich wünsche dir alles gute für deine neue Beziehung.

    AntwortenLöschen

Wenn du ein Kommentar hinterlässt, werden die von dir eingegebenen Formulardaten (und unter Umständen auch weitere personenbezogene Daten, wie z. B. deine IP-Adresse) an Google-Server übermittelt. Mehr Infos dazu findest du in meiner Datenschutzerklärung und in der Datenschutzerklärung von Google. Mit dem Abschicken deines Kommentars bestätigst du, dass du die Datenschutzerklärungen gelesen und akzeptiert hast.

Wenn Du die Kommentare zu diesem Beitrag durch Setzen des Häkchens abonnierst, informiert Dich Google durch eine Mail an die in Deinem Googleprofil hinterlegte Mail-Adresse. Durch Entfernen des Hakens löscht Du Dein Abonnement wieder. Du hast aber auch die Möglichkeit Dich in der Mail, die Dich über einen neuen Kommentar informiert, über einen Link wieder abzumelden.